„Wenn ich Kreativität in einem Mann entdecke, denke ich, dass das eine weibliche Eigenschaft ist.“

Wer: Khatia Buniatishvili, Pianistin
Wo: Neue Zürcher Zeitung
Wann: 10. Januar 2018

Nehmen wir einmal an, ein Universitätsprofessor, am besten ein Nobelpreisträger, sagt über Frauen in etwa Folgendes:

„Intelligenz ist für mich etwas Männliches. Ich betreue ja auch immer wieder kluge Frauen bei Promotionen und begegne ihnen in der Wissenschaft. Aber wenn ich Intelligenz in einer Frau entdecke, denke ich, daß das eine männliche Eigenschaft ist.“

Dies würde wohl sehr wahrscheinlich einen Sturm der Exkremente mindestens auf Twitter verursachen, wo sich empörte „Netzfeministinnen“ ereifern. Ein „Spiegel Online“-Artikel würde lauten:“Nobelpreisträger hält Intelligenz für eine männliche Eigenschaft“.

Die Universitätsleitung würde ein Disziplinarverfahren einleiten und noch einmal betonen, daß sie ihre weiblichen Studenten und Lehrkräfte schätzt und die Wissenschaft ohne Frauen heute nicht da wäre, wo sie ist.

Dieses bereits häufig aufgeführte Theaterstück ist insofern lustig und putzig, als es überdeutlich illustriert, wie neurotisch und infantil unsere Gesellschaft den Gleichstellungswahn praktiziert. Mit Pauken und Trompeten muß dann noch einmal klargemacht werden, was für Opfer des Patriarchats Frauen doch sind und wie sehr die wirklich guten Menschen sie tapfer unterstützen. Irgendeine Form von Intelligenz oder geistiger Souveränität sucht man in diesen Momenten vergebens.

Leidtragende dieser Moralexplosion sind dann meist Menschen, die unfaßbar harmlose Dinge sagten oder mal ein bißchen unkorrekt daherfaselten. Ein gutes Beispiel aus jüngerer Zeit ist der Verfasser des schlimmen, „sexistischen“ Memos, das innerhalb des Google-Konzerns die Runde machte und der dann wenig später entlassen wurde. Dieses Memo – das offenbar kein Journalist gelesen hat – ist unsagbar harmlos und kritisiert sehr differenziert und verbindlich das einseitige „Diversity-Management“, neudeutsch für Frauen- und Migrantenförderung, bei Google.

Dieser Mann hatte medial keine Chance. Ganz anders sieht das bei Frauen aus. Da Männer, insbesondere weiße, alte, heterosexuelle, heutzutage nicht wohlgelitten sind, kann man eigentlich so gut wie alles über sie vom Stapel lassen, ohne je behelligt zu werden.

Nicht daß ich mir solch ein Empörungsszenario wie oben geschildert nun auch bei Frauen wünschte. Aber der normale Bürger kratzt sich schon am Kopf, wenn er diese Doppelstandards studiert und immer wieder sehen muß, in was für einer autistischen Blase Politiker und Journalisten leben.

Lassen wir doch mal die Pianistin Khatia Buniatishvili zu Wort kommen. In der NZZ läßt sich folgender Absatz lesen:

„Fragt man mich, woher ich komme, antworte ich: aus meiner Mutter. Mein Leben ist die Fortsetzung des Lebens meiner Mutter.“ Die Möglichkeit einer Frau, Leben zu schenken, ist für sie das Grösste, was es gibt, „es ist die Kreativität in ihrer ursprünglichen Form“.

Deshalb ist für die Pianistin auch künstlerische Kreativität etwas Weibliches. Das bedeute nicht, dass Frauen die besseren Interpretinnen seien als Männer. „Aber wenn ich Kreativität in einem Mann entdecke, denke ich, dass das eine weibliche Eigenschaft ist.“

Ist ja auch im Grunde harmlos diese Aussage. Kann ja jeder denken, was er will. Merkwürdig ist nur, daß man als Mann höllisch aufpassen muß bei ähnlichen Verlautbarungen unter umgekehrten Vorzeichen.

Müßte man ja eigentlich gar nicht. Aber die meisten Männer sind leider ziemlich zahm geworden und haben nicht das kritische Bewußtsein hinsichtlich der feministischen Verblödung unserer Gesellschaft. Dann könnte man eigentlich ganz locker sein und genüßlich diverse Verleugnungszustände bloßstellen. In dieser Hinsicht liefern viele Männer leider ein schlechtes Bild ab. Sie verstehen nicht, daß das öffentlich zelebrierte Gleichstellungsnarrativ wenig bis gar nichts mit dem Ideal der Gleichberechtigung zu tun hat.

Unfreiwillig komisch sind die Äußerungen der Pianistin Buniatishvili, als darin eine Menge Dirigenten und Komponisten aufgezählt werden, unter deren Leitung und deren Stücke sie schon spielte, kein einziger dieser Menschen aber eine Frau ist. Auch ansonsten sind kulturelle Schöpfungen in der Menschheitsgeschichte ja nicht unbedingt eine Frauendomäne.

Aber lassen wir dies der jungen Frau: Kreativität ist etwas Weibliches.